Kritik an uns Ärzten in den Medien

Thema Werbegeschenke: Seit meiner Niederlassung im September 1990 erhalte ich von den Außendienstmitarbeiter/innen der Pharma-Industrie allerlei Kleinigkeiten. Sie haben bestimmt schon über die vielen Kugelschreiber in allen Farben in unserer Praxis gestaunt, oder die Klebezettel. Sicherlich sollen diese Geschenke unsere Aufmerksamkeit auf die Produkte dieser Firmen “lenken”. Nur: wenn ich ein Medikament für Sie für richtig halte, verschreibe ich es Ihnen oder gebe Ihnen ein entsprechendes Muster mit. Ob ich nun ein paar Kugelschreiber mehr oder weniger dafür bekomme, interessiert mich überhaupt nicht. Größere Geschenke habe ich in meiner Praxislaufbahn bislang nicht angenommen.

Thema Medikamentenmuster: Wir Ärzte erhalten Probepackungen von Medikamenten. Die Schränke in meinem Sprechzimmer sind voll damit. Ich gebe sie gern aus, natürlich in Notfällen, außerhalb der Apothekenöffnungszeiten (gerade wenn die diensttuende Apotheke weit weg ist), oder um Ihnen den Gang zur Apotheke zu ersparen oder auch Ihren Geldbeutel zu schonen. Das mögen die Apotheker nicht so gern, da nur sie das Distributionsrecht haben (d.h.: nur sie dürfen Medikamente ausgeben und verkaufen). Wenn wir also diese kostenlosen Medikamente weitergeben, entsteht den Apotheken womöglich ein Schaden.

Für Notfälle brauchen wir entsprechende Medikamente sofort, um Sie Ihnen auch sofort verabreichen zu können. Diese besorgen wir uns in den Apotheken auf unsere Rechnung oder auf Kosten der Krankenkassen. Wieso sollen wir die Geschenkten nun nicht auch dafür verwenden? Wenn die geschenkten Medikamente für den einzelnen Fall gut geeignet sind, gebe ich sie gern weiter, kostenlos. Damit ist allen geholfen: Die Medikamente helfen Ihnen. Sie entlasten Ihre Krankenkasse finanziell, und ich kann das entsprechende Medikament, wenn erforderlich, in Zukunft weiter verordnen. Damit können die Apotheker dann auch gut leben.

Thema Budget: Wir Ärzte haben für die Verordnung von Medikamenten an Sie eine Ausgabenbegrenzung auferlegt bekommen. Wir dürfen nur eine bestimmte durchschnittliche Menge Geld pro Patient für Medikamente verordnen, und diese Menge schwankt und wird nachträglich festgelegt. Wenn ich mehr verordne, was ich erst nach ca. 1 ½ Jahren erfahre, muss ich das aus eigener Tasche bezahlen. Davon kann aber meine Praxis nicht weiter existieren. Also müssen wir dieses Budget möglichst einhalten, ohne es genau zu kennen. Übrigens: Ich denke, dass kein anderer Berufsstand unter diesen Bedingungen noch weiterarbeiten würde.

Thema “aut idem” (das ist lateinisch und meint auf deutsch: „oder auch ein Gleiches“): Die Budgetierung und weitere Auflagen unserer Sozialgesetzgebung bringen es mit sich, dass wir verpflichtet sind, den Wirkstoff eines Medikamentes aufs Rezept zu schreiben, und die Apotheke ist dann verpflichtet, ein preisgünstiges Medikament mit diesem Wirkstoff an Sie auszugeben. Und die Preisunterschiede sind sehr groß, manche Medikamente kosten doppelt so viel, wie ein gleiches anderes.
Das birgt nun aber ein Problem: Die Medikamente haben um die Wirkstoffe sozusagen Hüllen, die wichtig dafür sind, wie Sie das Medikament aufnehmen, und wie der Wirkstoff dorthin gelangt, wohin er gelangen soll, und auch wie schnell. Da gibt es Unterschiede. Wenn bei einer chronischen Krankheit über Jahre ein Medikament wirklich gut geholfen hat, dann liegt das eben nicht nur am Wirkstoff, sondern eben auch an der Hülle, und wie Sie sie vertragen haben. Deshalb dürfen wir die aut-idem-Regel im Einzelfall bei Notwendigkeit durchbrechen, indem wir ein „Kreuzchen“ in den betreffenden Kasten auf dem Rezept machen. Aber eben nur im Einzelfall. Sonst machen wir pleite.

Thema Abrechungsbetrug: Für jeden Kassenpatienten, der im laufenden Vierteljahr in unserer hausärztliche Praxis war, lesen wir die Versichertenkarte ein. Am Quartalsende rechnen wir die Leistungen, die wir für den Patienten erbracht haben, mit der jeweiligen Kasse ab, das geht über unsere „Zentrale“, die Kassenärztliche Vereinigung. Diese Abrechnung ist nun aber weitestgehend pauschaliert, das heißt ganz konkret, dass wir pro Patient in Hessen maximal ca. 37,- € pro Quartal erhalten, egal, was zu tun war. Übrigens: Stellen Sie sich vor, ein Patient erfordert nun regelmäßige Hausbesuche…
– Die Möglichkeiten, bei diesen Vorgaben in der Abrechnung Leistungen geltend zu machen, die nicht erbracht wurden, gehen gegen Null. Falls Sie dies wünschen, können wir Ihnen übrigens die Abrechnung, die wir an Ihre Kasse stellen, in der Praxis ausdrucken, damit Sie schwarz auf weiß sehen können, wie wir entlohnt werden. Übrigens: Ich denke, dass kein anderer Berufsstand unter diesen Bedingungen noch weiterarbeiten würde.